Literarisches Lernen anhand von mittelalterlichen Texten zu Medizin

Abstract

In den beiden bisherigen Vorgängerprojekten "Arbeitskoffer zu den Steirischen Literaturpfaden des Mittelalters" wurden – begleitet von einer empirischen Untersuchung zum Textverstehen – gemeinsam mit Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden Materialien für unterschiedliche Schulstufen entwickelt und praxiserprobt, welche die (literarische) Welt des steirischen Mittelalters als (außer-)schulischen und digitalen Lernort zugänglich machen: Das im Zuge des Projektes entwickelte Textportal stellt mittlerweile mehrere spezielle Themenbereiche zur Verfügung, die Lernendenüber eine digitale Lernumgebung eine eigenständige Erschließung der mittelalterlichen Texte ermöglichen und zusätzliche mediale Angebote sowie Unterrichtsbausteine für Lehrerinnen und Lehrer bereithalten.

Die dritte Laufzeit des Projektes soll sich nun aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen mit der Erforschung von weiteren Voraussetzungen und Dimensionen literarischen Lernens anhand von mittelalterlichen Texten beschäftigen. Einen zentralen Stellenwert nimmt dabei das Verständnis eines literarischen Textes als Speicher und Katalysator von Wissensbeständen ein, den es in enger Zusammenarbeit von Forschenden, Lehrenden und Lernenden für den Schulbereich sowie für die Kulturvermittlung im öffentlichen Raum zu erschließen gilt. Die Schülerinnen und Schüler wirken dabei u.a. gemeinsam mit Lehramtsstudierenden der Universität Graz an der Konzeption und Durchführung einer empirischen Studie mit, die den Wissenserwerb im Kontext literarischer Lese- und Verstehensprozesse mittels unterschiedlicher Methoden untersuchen soll (mixed-methods approach). Im Zuge der Textarbeit mit den Schülerinnen und Schülern werden ausgewählte mittelalterliche Werke für das Portal aufbereitet und dabei Informationen und Wissensbestände zu unterschiedlichen Themenkomplexen (Landesgeschichte, Recht, Medizin, Tiere, Kulinarik, Handwerk etc.) freigelegt und recherchiert. Durch intertextuelle Vernetzung der Funde mit anderen literarischen Zeugnissen der Epoche sowie Anbindung an bestehende mediävistische Datenbanken sollen künftig Zusammenhänge sichtbar gemacht und noch tiefere Einblicke in die mittelalterliche Lebens- und Vorstellungswelt ermöglicht werden.

Die Ergebnisse der Studie und Textarbeit bilden die Grundlage für die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Ausstellung #dichterleben in Form von fünf selbstständigen Autor-Modulen: Sie sollen nach Ende der Ausstellungszeit im Steiermärkischen Landesarchiv zu den jeweils passenden Literaturpfad-Schauplätzen in der Steiermark migriert werden, um dort für unterschiedliche Alters- und Zielgruppen zu Orten des literarischen Bewusstseins und lebenslangen Lernens zu werden.

Der Arbeitskoffer versteht sich seit 2012 nicht nur als Ergänzung zum bildungstouristischen Angebot der Steirischen Literaturpfade des Mittelalters, sondern betreibt darüber hinausgehend eigenständige fachdidaktische Forschung. Diese widmet sich den zentralen Fragen der Deutschdidaktik aus dem besonderen Blickwinkel der Vermittlung älterer deutscher Literatur im schulischen Bereich wie auch im öffentlichen Raum.

Ideas for articles

  • Das Thema "Medizin im Mittelalter" lässt sich umfassend durch Vergleiche von Passagen erzählender Literatur mit entsprechenden Texten aus dem Bereich der mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Fachprosa untersuchen. Methodisch erscheint dabei das "Close Reading" ergiebig. Eine induktive Kategorienbildung aus dem Textmaterial heraus kann helfen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede sichtbar zu machen und entsprechend kategoriengeleitet auszuwerten. Für Vorwissenschaftliche Arbeiten bzw. Diplomarbeiten empfiehlt sich die Beschränkung auf einen mittelalterlichen Text, wobei der kulturkundlich-historische Hintergrund mittels Sekundärliteratur erschlossen werden kann. Als literarischer Text bietet sich z.B. Ulrichs von Liechtenstein "Frauendienst" (Mundoperation, Fingeramputation, Turnierverletzungen etc.) zur Erschließung des fachlichen Hintergrunds (beispielsweise das Arzneibuch Ortolfs von Baierland aus dem 14. Jahrhundert) an. Dieses Arzneibuch liegt in einer gut erschlossenen Edition mit Kommentar und Übersetzung durch O. Riha vor. Eine andere Möglichkeit der Themenbegrenzung ergibt sich beispielsweise durch die Auswahl einer charakteristischen Heilmethode des Mittelalters wie z.B. des Aderlasses oder der Uroskopie (Harnschau). Für diese beiden Themenbereiche, zu denen sich an mehreren Stellen in der Literatur aussagekräftige Passagen finden, gibt es zudem bildliche Darstellungen, die mit den Texten verglichen werden können, wodurch mehrere 'Wissensspeicher' des Mittelalters gleichzeitig 'angezapft' werden könnten.

Fundamental Literature

  • Wider allen den suhtin. Deutsche medizinische Texte des Hoch- und Spätmittelalters. Eine Anthologie. Hrsg., mit einer Einführung versehen und kommentiert von Thomas Bein. Stuttgart 1989. (= Helfant Texte. T10.)
  • Torsten Haferlach: Die Darstellung von Verletzungen und Krankheiten und ihrer Therapie in mittelalterlicher deutscher Literatur unter gattungsspezifischen Aspekten. Heidelberg 1991.
  • Kay Peter Jankrift: Krankheit und Heilkunde im Mittelalter. Darmstadt 2001. (= Geschichte kompakt.)
  • Kay Peter Jankrift: Mit Gott und schwarzer Magie. Medizin im Mittelalter. Darmstadt 2005.
  • Das Arzneibuch Ortolfs von Baierland. Auf der Grundlage der Arbeit des von Gundof Keil geleiteten Teilprojekts des SFB 226 ‘Wissensvermittelnde und wissensorganisierende Literatur im Mittelalter’ zum Druck gebracht, eingeleitet und kommentiert von Ortrun Riha. Wiesbaden2014. (= Wissensliteratur im Mittelalter. 50.)
  • Mittelalterliche Heilkunst. Das Arzneibuch Ortolfs von Baierland (um 1300). Eingeleitet, übersetzt und mit einem drogenkundlichen Anhang versehen von Ortrun Riha. Baden-Baden 2014. (= DWV-Schriften zur Medizingeschichte. 15.)

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Research Area:

Germanistische Mediävistik: Medizin im Mittelalter im Spannungsfeld von Literatur und Fachtext

Keywords: Medizin, Mittelalter, Literatur, Geschichte

Offering Institution:
Karl-Franzens-Universität Graz