Buddhismuskunde Leerheit-von-anderem

Kurzbeschreibung des Forschungsprojekts

Die Yoga- und Meditationstechniken der Mahamudra, die seit einiger Zeit weltweit auf großes Interesse stoßen, nahmen in der intellektuellen Geschichte Tibets, vor allem in den Bkabrgyud-Schulen, eine wesentliche Rolle ein. Die Methoden, mit direkter gültiger Erkenntnis einen unmittelbaren Zugang zur lichthaften Natur des Geistes zu gewinnen, schufen die Grundlage für philosophische Systeme, die das Absolute positiv beschreiben. Hintergrund dafür boten die Lehren der dritten Raddrehung des Dharma (dharmaca kra), die nicht nur auf den Darstellungen der Leerheit beruhen, sondern auch zwischen dem Zugeschriebenen und dem Wirklichen (d. h. Gegebenheiten und ihrer wahren Natur bzw. den akzidentellen Verunreinigungen und der Buddha-Natur) unterscheiden.

Manche haben dieses dritte Dharmacakra als eine Lehre der definitiven Bedeutung ver standen und sogar die Notwendigkeit betont, zwischen Zugeschriebenem und Wirklichem zu unterscheiden, und zwar in Gestalt von zwei Arten von Leerheit, d.i. der "Leerheit von einem Selbst" (rang stong) und die "Leerheit von Anderem" (gzhan stong). Diese auf Mahamudra beruhende gzhan stong-Philosophie wurde vom 15. und 16. Jh. an systematisch präsentiert.

Mittlerweile hat diese Philosophie eine weltweite Verbreitung gefunden, allerdings mit einem geringen Maß an Belegen für ihren reichen scholastischen und intellektuellen Hintergrund. Der aktuelle Forschungsstand belegt, dass es eine auf Mahamudra beruhende gzhan stong-Philosophie gibt, die auf Maitripa (ca. 1007 - ca. 1085) und andere indische Meister zurückgeht (wenn auch nicht als gzhan stong bezeichnet). Es ist daher von großer Wichtigkeit und Interesse, die Rezeption dieses Zugangs im 15. und 16. Jh. systematisch zu untersuchen. Das Projekt wird in Kooperation mit tibetischen Gelehrten durchgeführt.